BG Triathlon World Championships 2007 in Hamburg

Nr.3532 / Holger Lüning - GERMANY

Wenn sich über 6.000 Sportler aus über 40 Nationen an einem Ort versammeln, dann gibt es sicher einen guten Grund dafür. Tatsächlich waren die Triathlon World Championships das größte Triathlon-Ereignis, das die Sportwelt bis dahin erlebt hatte. Neben den Profis trugen auch die Altersklassen-Athleten ihre Weltmeisterschaften in der Hafenstadt aus. Als Solly und ich in Hamburg ankamen, empfing uns die Hanse-Stadt nicht gerade mit sommerlichen Temperaturen. Und auch die Vorhersage verhieß eher herbstliche Temperaturen. Doch davon ließ sich niemand stören und sowohl die Pasta-Party im Axel-Springer-Haus wie auch die Wettkampfbesprechung in der Handelskammer ließen die richtige Atmosphäre aufkommen.

Schon am Morgen bei der Akkreditierung wurde den deutschen Athleten die Nationaltrikots und -trainingsanzüge ausgehändigt (die sie allerdings selbst zu bezahlen hatten). Und so konnte man bei den obigen Anlässen eine beeindruckende Menge an roten Asics-Trainingsanzügen beobachten, wenn auch mancher meinte "schön ist was anderes". Nun gut, Geschmackssache. Mein Lieblingskleidungsstück wird die Ballonseide auch nicht! Der Samstag bot als Highlight die WM-Entscheidung der Frauen. Die fantastische Stimmung sorgte für die richtige Einstimmung auf den eigenen Start am Sonntag. Beeindruckend mit welchem Tempo es auf der Olympischen Distanz zugeht, auch wenn die Raddisziplin durch das erlaubte Windschattenfahren lediglich das Einrollen für die spätere Laufentscheidung ist. Ich denke in dem Moment, dass das Windschattenverbot bei den Altersklassen- Weltmeisterschaften schon deutlich mehr Fairness bringen sollte. Ein frommer Wunsch, wie sich zeigen sollte.

Sonntag, 2. September 2007. Ort: Jungfernstieg in Hamburg. Distanz: 1.5km Schwimmen – 40km Radfahren – 10km Laufen. 137 Männer aus der ganzen Welt versammeln sich um 10.10 Uhr in der Pre-Start-Area. Auch ich stehe hier und hege einen Traum. Ich möchte einmal in meinem Leben ein WM-Rennen anführen. Für wenige Minuten dem Rennen meinen Stempel aufdrücken und versuchen, diese Position so lange wie möglich zu behalten. Wohlwissend, dass es nicht bis zum Ende reichen wird. Stimmengewirr, letzte Umarmungen, kurzes Einschwimmen. Dann die Gewissheit: dieses Wasser hat tatsächlich nur 16.2 Grad. Beim Eintauchen zieht sich die Gesichtshaut zusammen. Ohne schützenden Neopren würde hier niemand in die Binnenalster hüpfen. Soviel steht fest. Der Pfiff des Schiedsrichters zeigt an, dass wir uns in Startposition begeben müssen. Um 10.20 Uhr MEZ erfolgt der Schuss. Es geht los.

Brutales Tempo! Schläge links, Hiebe rechts. Da bleibt nur die Flucht nach vorne. Das hatte ich mir leichter erhofft. Aber dies ist schließlich eine Weltmeisterschaft! Die Strecke führt unter einer Brücke hindurch in die Außenalster. Dort wird gewendet. An der Wende nach ca. 600m bin ich vorne. Doch einige Berührungen auf den Fuß zeigen mir, dass ich zwei Kollegen im Schlepptau habe. Zu dritt schwimmen wir auf die letzte Brücke zu: 50m lang und unbeleuchtet. Dann der Schlussspurt zum Ausstieg am Rathaus. Die Stimmung ist atemberaubend. 100m lang ziehe ich das Tempo noch einmal an und der Traum ist perfekt. Ich berühre als First-out-of-the-water den blauen Teppich! Wow!

Die Wechselzone ist ebenfalls ein Superlativ. 700m vom Schwimmausstieg bis zum Rad sind eine harte Wegstrecke. Der Puls hämmert an der Schläfe. Am Rad angekommen, die eingeübten Rituale. Neopren ausziehen, Brille auf, Helm auf, Startnummer umgelegt, Rad nehmen und raus! Rauf auf das Rad und los. Die Devise ist klar. Tempo aufnehmen. Die Flucht vor der lechzenden Meute!

Es sind von den vorherigen Startgruppen schon viele Sportler auf der 2-Runden-Strecke unterwegs und bald vermischen sich die Gruppen. Ich fahre in Richtung Reeperbahn, dann weiter an der Elbe. Es läuft gut. 40 Minuten kann ich mich als WM-Leader fühlen. Dann bei Kilometer 15 werde ich von dem später Drittplatzierten überholt. Man erkennt die Konkurrenten an der Altersklassenbeschriftung auf der Wade. Ich bin also immer noch auf dem zweiten Platz, werde aber bis Kilometer 32 noch von drei weiteren Startern überholt. Das ist immer noch Spitze. Was allerdings gar nicht Spitze ist, widerfährt mir bei Kilometer 35. "Push, push" höre ich von hinten und die Vermutung, die ich an den Wendepunkten hatte, bewahrheitet sich. Ein Pulk von 10 bis 12 Mann rollt auf mich auf. Von einem fairen Rennen kann hier nicht mehr gesprochen werden. Ich hänge mich in den Pulk hinein und rolle in die Wechselzone, wohlwissend, dass fast alle um mich herum jetzt recht gut ausgeruht auf die Laufstrecke gehen werden. Es ist nicht zu ändern und das Erlebnis hier in Hamburg zu starten ist viel zu schön als dass ich mich weiter ärgere. Was für mich zählt ist meine Leistung. Und da heißt es, noch flotte 10km auf den Asphalt zu legen. Es geht an der Alster entlang und ich schnappe mir noch einige Konkurrenten. Dann verläuft die Strecke zurück am Hotel Kempinski vorbei in die Innenstadt, um dann in den Zielbereich vor dem Rathaus zu münden. Die Stimmung ist toll. Es macht einfach Spaß! Mit einer Zeit von 37:40 Minuten auf den letzten 10km bin ich dann auch so schnell wie noch nie in einem Triathlon. Nach 2:05:46 Stunden überquere ich die Ziellinie. Geschafft. Später erfahre ich, dass ich auf Platz 16 lediglich zwei Minuten hinter der Bronzemedaille eingelaufen bin. Da fragt man sich schon, was wäre wenn.

Was bleibt ist aber das tolle Gefühl, die Schwimmstrecke als Erster zurückgelegt zu haben und immerhin noch eine ganze Weile ein WM-Rennen angeführt zu haben. Was will man mehr?

Am Nachmittag sind wir dann noch Zeuge eines denkwürdigen Sportmoments geworden als Daniel Unger als erster deutscher Triathlet Weltmeister über die Olympische Distanz wurde. Die Begeisterung an der Strecke und das Live-Erlebnis waren noch einmal echte Highlights eines tollen Wochenendes. Und zu guter Letzt gab es noch eine ganz besondere Freude. Unsere "Wedding-Fee" Mo hat uns spontan aus Hannover besucht und so konnten wir ein bisschen Steinberger Stimmung aufleben lassen. So war es dann am Ende eine Sinneswanderung der ganz besonderen Art.

Und weil die Sinne in diesem Jahr unstillbar hungrig sind, geht die Triathlon-Reise noch eine Etappe weiter. Am 13. Oktober geht es in Kailua Kona auf Hawaii bei der Weltmeisterschaft über die Ironman-Distanz noch einmal in ganz andere Dimensionen. Bis dahin bleibt leider nicht viel Zeit und das Langdistanz-Training ist seit Frankfurt eher mäßig ausgefallen. Deshalb schnüre ich schnell mal meine Laufschuhe und sage Tschüß bis zum letzten Etappenbericht des Jahres! Aloha!

Text: Holger Lüning

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