Der Tag der Entscheidung...

...sollte dies für zwei altgediente Recken des Tria Teams werden. Während auf dieser Website Woche für Woche von sportlichen Höchstleistungen, wichtigen Meisterschaften, Ligawettkämpfen und den Erfolgen der Seligenstädter Topathleten berichtet wird, findet so manche Auseinandersetzung namenloser Middle of the Pack Athleten im Verborgenen statt. Hier will dieser Bericht zur Aufklärung beitragen und ans Licht bringen, wie diese immer noch mystifizierte Sportart völlig normale Menschen dazu bringt, in die Grenzbereiche ihrer körperlichen und mentalen Belastbarkeit vorzustoßen.

Austragungsort war der Jedermann Triathlon am Arheiliger Mühlchen in Darmstadt. Die Schwimmstrecke von 400m, eine flache, 16 km lange Radstrecke mit einigen Schotterwegen im Wald und der abschließende 4 km Lauf mögen zunächst nach einem lockeren Spaziergang klingen, aber nach dem Lesen dieser Zeilen wird der geneigte Leser anders denken. Lassen Sie uns die Hauptakteure vorstellen: zunächst Josef Huth, der zu Recht als Urgestein der Seligenstädter Triathleten gilt und zu Gunsten des Ausdauerdreikampfes bereits 1990 Abschied von einer vielversprechenden Karriere im Bereich Blasmusik und Schafkopf nahm. Auf der anderen Seite Michael Thiem, der schon ebenso lang versucht, seine Bemühungen in sportliche Erfolge umzusetzen, und der dem Tria Team 1992 eigentlich nur beitrat, um "die Kosten für eine Tageslizenz in Roth zu sparen". Doch sein damals noch unbekümmertes, sportliches Dasein sollte eine jähe Wendung nehmen, ja, sein Leben sollte eine neue Bestimmung erhalten, als er "Joe" traf - einen Mann und Athleten, der bereits zu dieser Zeit am gezielten Aufbau seines Körpers arbeitete und sich unter Einsatz modernster Trainingsmethodik und nicht unumstrittener ernährungstechnischer und medizinischer Selbstversuche für größere Aufgaben empfahl.

Zwischen den beiden entwickelte sich eine sportliche Rivalität, die ihresgleichen sucht und die jedes Jahr zum Beginn der Triathlonsaison erneut aufblüht. Trotz ihres Wechsels in immer höhere Altersklassen wird dieser Zweikampf mit kompromissloser Härte fortgeführt. Unvergessen ist zum Beispiel das Fernduell der beiden beim Ironman Kanada, wo Josef 1998 in Topzustand und hochmotiviert antrat um Michaels dort zwei Jahre zuvor erzielte Zeit zu pulverisieren, was ihm unter Aufbietung eiserner Willensstärke schließlich auch gelang. Oder dieses Jahr in Roth, als sich beide im Vorfeld des Wettkampfes plötzlich auf einem Doppelzimmer wiederfanden. Josef hatte die Wirtin bestochen und das Ganze clever eingefädelt. Mit Hilfe seiner überlegenen Logistik und einem Arsenal von Produkten der Pharmaindustrie baute er schon vor dem Start einen psychologischen Druck auf, dem sich sein Erzkonkurrent nicht entziehen konnte. Dieser befand sich durch die bevorstehende Langdistanz bereits in einer tiefen Sinnkrise und versuchte in den beiden Nächten vor dem Start mit aktivem Powerschnarchen [>80 dB] zu kontern, aber am Wettkampftag zahlte sich Josefs Taktik voll aus und nach einer gemeinsamen Runde des Taxierens auf dem Rad zerbrach Michael auf der Laufstrecke förmlich und war im Ziel so schwach, dass Josef ihm sogar noch das Bier holen musste. Eine schmähliche Niederlage, die Michael nur bewältigen konnte, indem er Roth im Nachhinein zu einem "unwichtigen Trainingswettkampf" herabstufte. So ließen sich weitere Anekdoten dieser Rivalität aneinander reihen, aber dies würde die Speicherkapazität der Seligenstädter Website sprengen.

Eine besondere Facette eines solchen Duells ist die Materialschlacht. Mit besonderer Hartnäckigkeit und unter Aufbieten aller technischen und finanziellen Möglichkeiten widmen sich die Konkurrenten auch dieser Herausforderung - eine der interessantesten Spielwiesen für jeden ambitionierten und kreativen Triathleten. Nachdem Josef hier in den letzten Jahren immer wieder neue Akzente setzten konnte und sich radtechnisch ("an meine Haut lasse ich nur Cool Max und Carbon") inzwischen locker mit dem Tour de France Protagonisten Lance Armstong messen kann, wird immer deutlicher, dass Michael trotz seines "neuen" PRINCIPIA Auslaufmodels von 1998 hoffnungslos ins Hintertreffen geraten ist. Auf diesen nicht zu unterschätzenden Vorteil und den resultierenden psychologischen Faktor wollte Josef auch am Mühlchen nicht verzichten und dieses Mal sollte er einen ganz besonderen Joker in Petto haben. So kam es am letzten Sonntag zur diesjährigen Entscheidungsschlacht der beiden Erzrivalen. Abseits der selbstauferlegten Pflichten mit regelmäßigen Starts in der Hessischen Rentnerliga und (fast) unbeobachtet von anderen Seligenstädtern wollten die beiden im Tummel nichtsahnender Jedermänner bis ans absolute Limit gehen. Unausgesprochen war klar, dass sich hier und heute zeigt, ob Tausende von Trainingskilometern einen Sinn hatten und ob Hunderte Liter Schweiß im Vorfeld nicht umsonst vergossen wurden.

Am Morgen des 12. August war Michael aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise mal pünktlich und stand sogar schon zum Einchecken an, als Josef, der Mühlchen Altersklassensieger von 1999, die Arena betrat. Michael, der sein Mountainbike am Vortag extra noch mit einem Aerolenker getunt hatte, nahm Josefs diesbezügliche überraschung mit Genugtuung zur Kenntnis, aber Josef spielte cool seinen Joker und sagte nur "ich muss Dir dann auch mal was zeigen...". Und dann gab's was zu sehen: ein nagelneues KLEIN Fullsuspension der Ultraleicht Klasse, gerade mal zwei Tage alt. Es war ein dummer Anfängerfehler von Michael, sich sofort einen Eindruck vom tatsächlichen (Leicht-) gewicht des oberkrassen Teils machen zu wollen. Danach stand ihm der Schock ins Gesicht geschrieben und es stand wieder mal 1:0 für Joe.

Trotz allem bemühten sich beide Kontrahenten um eine gewisse Fairness und "Waffengleichheit", also beide mit Neopren - enorm wichtig angesichts der kraftraubenden, fast 400m langen Schwimmstrecke und des (echt !) kalten Wassers, natürlich Mountainbikes und keine Rennräder, die ebenfalls wild um die Kurven driftend gesichtet wurden, Käfigpedale am Rad und dann gleich nach dem Schwimmen in die Laufschuhe gesprungen. Also alles OK! In Darmstadt zog ein wunderschöner Tag herauf und die äußeren Bedingungen waren optimal. In wenigen Stunden würden wir mehr wissen. Aber dann, völlig unvermittelt, ergab sich eine neue, schwierige Situation, weil beide Kontrahenten (trotz gleicher Alterklasse) in unterschiedlichen Startgruppen starten sollten. Eine äußerst ernüchternde und enttäuschende Erkenntnis - der Saisonhöhepunkt nur als Fernduell mit 10 Minuten Zeitdifferenz !

Aber dies markierte die Wende. Michael, der (dank seiner maßgeschneiderten QR Fullsuit) als erster seiner Startgruppe aus dem Wasser kam, konnte so den noch am Start wartenden Lieblingskonkurrenten empfindlich in seiner Vorwettkampfmeditation stören und warf ihm den Fehdehandschuh in Form eines nassen Neoprens hin. Auch Josef gab schon beim Schwimmen alles und nahm dann die Radstrecke unter das nicht vorhandene Profil seiner jungfräulichen 8 bar Slicks. Michael legte die Radstrecke in einer etwas unkonventionellen Sitzposition mit gestreckten Armen zurück, da der Aerolenker etwa einen halben Meter zu weit vorne war und die kurze Laufstrecke war ihm schon fast wieder zu lang. Als er nach 55:27 Minuten abgekämpft ins Ziel lief, war die entscheidende Frage aber noch offen. Die Stoppuhr lief, Joe hatte nun noch die 10 Minuten Startzeitdifferenz zu seinen Gunsten und beim Laufen in der Mittagshitze war er jetzt ganz in seinem Element - getrieben von einem einzigen Gedanken. Dann... genau 10 Minuten später erreichte er den Sportplatz, aber bis ins Ziel hatte er noch 200m auf der Aschenbahn vor sich. Als ihn sein Rivale im Ziel empfing, zeigte die Uhr 56:56,36 Minuten und die Entscheidung war gefallen. Alles war klar... bis zum nächsten Duell in Bad Endbach.

Abschließend sei gesagt, dass die gut organisierte Veranstaltung mit einen Kindertriathlon auch den Kämpfern von morgen viel Spaß gemacht hat. Gewonnen hat mit Frank Röder in 51:30 übrigens ein Exmitglied der Seligenstädter und zweiter von 373 Finishern wurde der erst 15jährige Christian Mokros aus Griesheim. Mehr dazu unter http://sga-triathlon.de.

 

Text: Michael Thiem (Josef Huth arbeitet an der Gegendarstellung, aber vorher muss er erst noch trainieren)

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